Herdbuchzucht
Das Herdbuch ist ein von einem Landesverband (z. B. vom Landesverband der Schleswig-Holsteinischen Schaf- und Ziegenzüchter e.V.) geführte geordnete Zusammenstellung beglaubigter Abstammungsnachweise, also z. B. von Körpapieren der Zuchttiere. Die Schafzucht hat ein großes Interesse, die Abstammung der Zuchttiere zu kennen, da die Nachzucht die rassetypischen Eigenschaften genauer zeigt, je reiner Eltern und Großeltern des betreffenden Tieres sind. Außerdem läßt sich nur durch eine genaue Dokumentation der Abstammung gerade bei den seltenen Rassen eine zu direkte Inzucht vermeiden. Das Herdbuch enthält dann jeweils die
- Erfassung der Ablammungen
- Erfassung der Deckregister vor den Ablammungen
- Erfassung von Ergebnissen aus Körungen und Herdbuchaufnahmen
- Erstellung von Zuchtbescheinigungen, Katalogen und Listen
Gerade bei der Planung des Bockeinsatzes vor der Deckperiode ist es wichtig, über die Inzuchtentwicklung in der nächsten Generation informiert zu sein. Mithilfe einiger Herdbuch- programme kann für Muttertiere die Anpaarung mit mehreren Böcken simuliert werden. Die Pedigrees und der Inzuchtgrad dieser Paarungen werden ermittelt. Diese Informationen können direkt zur Paarungsplanung herangezogen werden. Das A und O der Herdbuchzucht ist die Abstammungssicherung. Damit die Abstammungen garantiert werden, wird das Führen eines Deckregisters in den Zuchtbuchordnungen vorgeschrieben.
Bei der Herdbuchzucht dürfen natürlich nur die gekörten Böcke der eigenen Rasse zum Deckeinsatz gelangen. Ein Bock aus einer anderen Rasse darf nur zur Arterhaltung eingesetzt werden und die daraus entstehenden Nachkommen sind erst nach mehreren Generationen wieder selbst körfähig. Die weiblichen Nachzuchten werden dann zunächst in einem Vorbuch, der Vorstufe zur Herdbuchzucht geführt und erst wenn sie wieder reinerbig sind, dürfen ihre Nachkommen gekört werden.
Körung der Böcke
Die Landschafböcke werden in den drei Kategorien Bemuskelung, Wollqualität und äußere Erscheinung bewertet, wobei die Reihenfolge der Benotung in jedem Landesverband unterschiedlich ist. Für jede der drei Kategorien muss mindestens eine Vier auf einer Skala von 1 bis 9 erreicht werden, um das Tier zu kören. Eine Zulassung zur Prämierung findet ab einer Körnote von 7 im Exterieur und einer 6 in der Wollnote statt, bei bestimmten Auktionen kann diese Anforderung auch höher sein. Erfüllen die Tiere eine Prämierungszulassung, dann dürfen sie einen Namen tragen, der vom Züchter nach der jeweiligen Saison (Alphabetisch geordnet) genannt wird. Eine Zuchtwertschätzung, die auf einer täglichen Mindestgewichtszunahme beruht, findet bei den Landschafen nicht statt. Auch die richtige Einzeltierkennzeichnung, die von der Europäischen Union vorgeschrieben ist, ist eine Körvoraussetzung. Alle Tiere, die nach dem 1.1.2010 geboren worden sind, müssen mit einer gelben Individual-Ohrmarkennummer und einer elektronischen Einzeltierkennzeichnung markiert sein. Auf dem Körpapier stehen dann alle Daten des Individuums, neben seinen persönlichen Stammdaten auch sein Stammbaum bis in die Großelterngeneration, seine Prämierungsergebnisse, bei den Fleischschafen auch die Werte für Zucht- und Mastleistung, bei den Milchschafen teilweise auch die Milchleistung.
Körung der weiblichen Schafe
Die Körung bzw. Herdbuchaufnahme der weiblichen Tiere unterscheidet sich nicht wesentlich von der Bockkörung. Auch hier werden Wolle, Bemuskelung und äußere Erscheinung mit Noten von 1 bis 9 bewertet und auch hier darf bei der Aufnahme mit mindestens der Note 7 ein Namensvorschlag abgegeben werden. Die weiblichen Schafe bekommen nach der Herdbuchaufnahme allerdings kein Körpapier, sondern werden zunächst mit einem Stallbuch geführt. Erst bei einem Verkauf bekommen sie dann einen Abstammungsnachweis, der analog dem Körpapier der Böcke zu sehen ist.
Genotypisierung
Mit Hilfe der Genotypisierung wird die Anfälligkeit eines Schafes bestimmt, an Scrapie zu erkranken.
Scrapie ist eine von Schaf zu Schaf übertragbare degenerative Erkrankung des Gehirns. Als Ursache wird eine krankhafte Veränderung sogenannter Prion-Protein im Gehirn angenommen, die auch beim Menschen als Ursache für die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) angesehen werden. Diese Prion-Proteine sind im Gehirn jedes Tieres, also auch des gesunden Schafes, vorhanden und werden dort laufend neu gebildet und abgebaut.
Es gibt mehrere Varianten der Prion-Proteine, die man, ähnlich den Blutgruppen beim Menschen, in verschiedene Gruppen einteilen kann. Es wurde festgestellt, dass es Gruppen gibt, die leicht an Scrapie erkranken, und andere Gruppen, die praktisch resistent gegen Scrapie sind. Welche Gruppe von Prion-Protein ein bestimmtes Schaf besitzt, ist genetisch bedingt. Bei der Genotypisierung werden diese Gene (die Allele, also kleine Gensequenzen) untersucht, die für den Typ der Prion-Proteine verantwortlich sind. Die Anfälligkeit gegen Scrapie hängt von der Kombination bestimmter Prion-Protein-Allele ab. Zur Unterscheidung dieser Allele werden bestimmte Buchstabenkombinationen verwendet. Man kennt die Allele: ARR, ARQ, ARH, AHQ und VRQ.
Riskogruppen:
Jedes Schaf besitzt jeweils zwei Allele, also z.B. zweimal ARR oder ARR mit ARQ usw.. Jede beliebige Kombination ist denkbar und wird angegeben als Genotyp ARR/ARR oder ARR/ARQ .
Schafe mit einem Genotyp ARR/ARR sind theoretisch praktisch restistent gegen Scrapie. Dagegen ist bei Schafen mit dem Genotyp VRQ/VRQ oder ARH/VRQ mit einer erhöhten Anfälligkeit für Scrapie zu rechnen. Für die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten hat man fünf Risikogruppen ermittelt.
Risikogruppe
Genotyp
R I
ARR/ARR
R II
ARR/AHQ - AHQ/AHQ
R III
ARR/ARQ - ARR/ARH - ARQ/AHQ - AHQ/ARH
R IV
ARH/ARH - ARQARH - ARQ/ARQ - ARR/VRQ - AHQ/VRQ
R V
ARQ/VRQ - ARH/VRQ - VRQVRQ
Vererbung:
Bei der Vererbung des Genotyps an die Lämmer wird von jeweils einem Elternteil die eine Hälfte des Genotyps weitervererbt. Ein Bock mit dem Genotyp ARR/VRQ gibt also entweder sein ARR -Allel oder sein VRQ -Allel an das Lamm weiter. Welches Allel er weitergibt, ist von Lamm zu Lamm unterschiedlich und dem Zufall überlassen, folgt aber theoretisch der Mendelschen Vererbungslehre. Von der Seite der Mutter erbt das Lamm ebenfalls eine der beiden Hälften des Genotyps der Mutter. Wird also ein Schafbock mit dem Genotyp ARR/ARR eingesetzt, so sollten automatisch sämtliche Nachkommen mindestens ein ARR-Allel aufweisen. Hat auch das Muttertier ein ARR-Allel, ist die Wahrscheinlichkeit relativ groß, dass einige der Lämmer ebenfalls den Genotyp ARR/ARR besitzen.
Konsequenzen:
Wenn in einem Bestand ein Scrapie-Fall aufgetreten ist, so musste bisher der gesamte Bestand gekeult werden. Diese Bestandskeulung kann verhindert werden, wenn der Genotyp der Tiere in der Herde bekannt ist, oder eine Genotypisierung der Tiere vorgenommen wird. Der Bestand wird dann zunächst gesperrt, bis die Ergebnisse der Genotypisierung vorliegen. Sämtliche Tiere mit mindestens einem ARR-Allel können dann von der Keulung ausgenommen werden. Durch den gezielten Einsatz von Böcken mit ARR-Allel, kann der Anteil der Tiere in der Herde, die ebenfalls ein ARR-Allel besitzen, rasch erhöht werden. Am schnellsten geht dies natürlich durch den Einsatz eines Deckbockes mit dem Genotyp ARR/ARR.
Entsprechend einer Entscheidung der Europäischen Kommission vom 13. Februar 2003 müssen alle Mitgliedsstaaten Züchtungsprogramme bei Schafen einführen, um die Resistenz gegenüber Scrapie in ihren Herden zu verbessern. Die Scrapie-Genotypisierung ist ein Gentest bei Schafen, mit dem Tiere mit unterschiedlicher Resistenz gegenüber der Scrapie-Erkrankung unterschieden werden können. Es gibt bisher keine Möglichkeit, am lebenden Schaf festzustellen, ob es mit dem Auslöser der Scrapie-Erkrankung in Kontakt gekommen ist oder nicht. Mit dem Gentest lässt sich jedoch eine Einschätzung des Risikos einer klinischen Erkrankung nach einem möglichen Kontakt mit dem Auslöser machen. Entsprechend der Empfehlung des BMVEL werden die Tiere den Genotypklassen G1 – G5 zugeordnet und können dadurch gezielt für die Züchtung ausgewählt werden. Diese individuelle Genotypisierung der Schafe ist auch dann wichtig, wenn nach der Erkrankung eines einzelnen Tieres über das Schicksal der anderen Tiere in der betroffenen Herde entschieden werden muss und die resistenten Genotypen verschont werden können.
Wissenschaftliche Grundlage:
Entscheidend für die Resistenz sind die Aminosäuren an drei Positionen des Prionproteins. Je nach Position sind dabei die folgenden Aminosäuren möglich:
Alanin (A) Histidin (H) Glutamin (Q) Arginin (R) Valin (V)
Beim Gentest werden alle Varianten (Mutationen) der drei entsprechenden Codons 136, 154 und 171 analysiert. Nach der Empfehlung des BMVEL und der Projektgruppe der Deutschen Gesellschaft für Züchtungskunde (DGfZ) zur Züchtung auf TSE-Resistenz bei Schafen werden die Schafe dann in eine der unten aufgeführten Genotypklassen eingeteilt:
Genotypklasse
Genotyp
G1
ARR/ARR
G2
ARR/AHQ, ARR/ARH, ARR/ARQ
G3
AHQ/AHQ, AHQ/ARH, AHQ/ARQ,
ARH/ARH, ARH/ARQ, ARQ/ARQ
G4
ARR/VRQ
G5
AHQ/VRQ, ARH/VRQ, ARQ/VRQ, VRQ/VRQ
Für den Einsatz in der Herdbuchzucht sind nur Schafe mit den Genotypen G1-G3 zugelassen, alle anderen sind vom Zuchtprogramm ausgeschlossen.
Genetischer Fingerabdruck
Mit Hilfe der Genomanalyse wird das Genprofil eines eingesetzten Deckbockes bestimmt, um dann bei jedem 50. Nachkommen, der zur Körung vorgestellt wird, die Abstammung von dem angegebenen Vatertier beweisen zu können. Dieses Verfahren ist analog dem Vaterschaftstest bei den Menschen zu sehen, denn auch die Schafböcke haben ein einzigartiges, nur bei einem einzigen Tier vorkommendes Genprofil vorzuweisen, also ihren genetischen Fingerabdruck.
Hier ist ein Beispiel für das DNA-Profil eines Bentheimer Landschafbockes vorgestellt.